Über die Hannöversche Aidshilfe e.V.
und den CheckPoint Hannover
Seit 1984 engagiert sich die Hannöversche AIDS-Hilfe e.V. für Menschen mit HIV, sie leistet Unterstützung zur Selbsthilfe und zielgruppenspezifische Aufklärungsarbeit, um neue Infektionen zu verhindern.
Der Name “AIDS-Hilfe beschreibt jedoch nur noch begrenzt unsere Aufgaben heute: Das Vollbild AIDS sehen wir zum Glück nur noch sehr selten, und dank der modernen Therapien können Menschen mit HIV völlig normal leben und arbeiten, sie benötigen kaum mehr “Hilfe”.
Mit dem neuen Label “CheckPoint Hannover, Beratungsstelle für sexuelle Gesundheit” gehen wir daher in die Zukunft: Wollen wir Infektionen mit HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen verhindern, müssen wir diese frühzeitig erkennen und behandeln, bevor sie weiter übertragen werden und bevor sie unsere Gesundheit irreparabel schädigen.
Sexuelle Gesundheit ist jedoch mehr als nur die Abwesenheit von Geschlechtskrankheiten. Daher engagieren wir uns ebenfalls für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt und für ein selbstbestimmtes, lustvolles Ausleben des Sexualität und treten jeder Form von Diskriminierung und Moralisierung entgegen. Denn nur wer sich, seinen Körper und seine Gesundheit wertschätzen und lieben kann, schützt sich selbst und seine Partner*innen.
Leben mit HIV heute
Das Bild von Aids und damit die Aufgaben der Hannöverschen AIDS-Hilfe e.V. haben sich seit ihrer Gründung grundlegend gewandelt. In den 1980er Jahren bestand das Engagement der Aktivist*innen neben der Aufklärung der verängstigten Bevölkerung noch überwiegend aus Sterbebegleitung für die Menschen im Krankheitsbild Aids.
Heute ist eine Heilung der HIV-Infektion zwar trotz intensiver Forschung noch nicht möglich, rechtzeitig erkannt und behandelt kann HIV inzwischen dank moderner Medikamente optimal kontrolliert werden. Fast alle Menschen mit HIV haben inzwischen eine normale Lebenserwartung bei guter Lebensqualität und normaler Arbeitsfähigkeit. Voraussetzung ist aber, dass die Medikamente lebenslang zuverlässig eingenommen werden.
Das Vollbild Aids, das in den 1980er Jahren noch fast alle HIV-positiven erlitten und daran verstarben, sehen wir heute nur noch sehr selten und zumeist dann, wenn die HIV-Infektion viel zu spät erkannt wurde. Eine Wiederherstellung einer funktionierenden Immunabwehr ist aber auch dann in fast allen Fällen dank antiretroviraler HIV-Therapien heute möglich.
Auch die massiven Nebenwirkungen, die die HIV-Therapie noch vor ca. zehn Jahren hatte, sind dank der Weiterentwicklung der Medikamente und ärztlicher verschwunden.
Eine deutliche Entlastung für Menschen mit HIV hat auch die Erkenntnis gebracht, dass Menschen mit HIV unter erfolgreicher Therapie die HIV-Infektion nicht mehr auf andere übertragen können. Bereits 2008 hat die Eidgenössische Kommission für AIDS-Fragen in der Schweiz (EKAF) diese zunächst sehr umstrittene Feststellung getroffen. Inzwischen belegen mehrere Studien, dass HIV-Medikamente die Virusvermehrung im Körper so weit unterdrücken, dass kaum noch freie Viren in den Sekreten vorhanden sind und somit die Überwindung der körpereigenen Immunabwehr einer nicht infizierten Person absolut ausgeschlossen ist. Gleichzeitig wird davon ausgegangen, dass die meisten HIV-Infektionen heute von Menschen ausgehen, die sich gerade erst infiziert haben und daher eine sehr hohe Viruslast im Blut und in den Sekreten aufweisen. Für Menschen mit HIV und ihre Partner*innen ermöglicht dies das Ausleben barrierefreier Sexualität (also ohne Kondom), und auch ein Kinderwunsch ist auf natürlichem Wege erfüllbar.
Was dieses Bild trübt, ist inzwischen hauptsächlich das Stigma, das Menschen mit einer HIV-Infektion anhängt. Die Erkenntnis, dass in alltäglichen Umgang mit HIV-Positiven eine Übertragung von HIV absolut unmöglich ist, ist seit Beginn der 1980er Jahre erwiesen und wird seither nicht nur von Aidshilfen kommuniziert. Dennoch halten sich in den Köpfen vieler Mitmenschen veraltete Bilder von HIV verbunden mit völlig irrationalen Infektionsängsten. Hinzu kommt die Unterstellung schuldhaften Erwerbens einer HIV-Infektion, Menschen mit HIV hätten sich verantwortungsloser Lust durch Sex oder Drogenkonsum hingegeben. Vergessen wird dabei, dass lustvolles Erleben immer etwas mit Kontrollabgabe zu tun hat. HIV-positive Menschen haben diese Schuldzuschreibung verinnerlicht.
Bekämpfung von Stigmatisierung und Diskriminierung
Die Bekämpfung von HIV-bedingten Stigmatisierungen und ‑Diskriminierungen, das einer HIV-Infektion anhaftet, und der Einsatz mit und für Menschen, die diesen Stigmatisierungen und Diskriminierungen ausgesetzt sind, bilden einen zentralen Schwerpunkt der heutigen Aidshilfearbeit. Diese Tätigkeit gehörte schon immer zu den Aufgaben der Hannöverschen AIDS-Hilfe e. V., seit 2016 haben wir jedoch explizit dafür eine Antidiskriminierungsstelle eingerichtet. Menschen mit HIV, die sich aufgrund ihrer HIV-Infektion ungerecht behandelt oder benachteiligt fühlen, oder gar durch Worte oder Taten angegriffen wurden, können sich an uns wenden. Gemeinsam werden dann Lösungsmöglichkeiten für den Konflikt gesucht und angegangen.
Um der strukturellen und institutionellen Diskriminierungen zu begegnen und vorzubeugen haben wir spezifische Fortbildungsangebote für Menschen geschaffen, die im alltäglichen Kontakt mit Menschen mit HIV stehen. 2016 wurden beispielsweise in Zusammenarbeit mit örtlichen HIV-Schwerpunktpraxen Fortbildungen für Zahnärzt*innen und zahnmedizinische Fachangestellte konzipiert und durchgeführt, da eine adäquate Zahnbehandlung ohne unnötige Sondermaßnahmen für Menschen mit HIV nicht in allen Praxen Standard sind. Auch für andere Berufsgruppen oder Kolleg*innen von Menschen mit HIV bieten wir diese Fortbildungen an.
Rat & Unterstützung für Menschen mit HIV
Nicht weniger wichtig geworden ist die Beratung und Begleitung von Menschen mit HIV in schwierigen Lebenslagen. Beginnend bei der Verarbeitung eines HIV-positiven Testergebnisses, über Konflikte in der Partnerschaft bis hin zum Thema HIV im Alter kann ein strukturiertes Gespräch mit einem/einer Berater*in und die Weitergabe qualifizierter Informationen zur Verarbeitung bzw. Bewältigung einer Problemlage beitragen. Grundlage dafür ist unsere akzeptierende Grundhaltung gegenüber den Lebensweisen unserer Klient*innen.
Auch wenn inzwischen die meisten Menschen mit HIV ganz normal im Berufsleben stehen, sind es häufig die Bezieher*innen öffentlicher Leistungen, die sich ratsuchend an uns wenden. Die komplizierte Beantragung, Durchsetzung und Sicherung von Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Rente oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, und die Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden stellt nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund und Sprachbarriere vor ein großes Problem. Die Mitarbeitenden unserer Sozialberatung helfen Menschen mit HIV in Antrags- und Widerspruchsverfahren und vermitteln mit den Behörden.
Darüber hinaus gibt es bei uns weitere Unterstützungsangebote für vulnerable Personengruppen, wie z.B. Substituierte, Männer*, die Sex mit Männern* haben, Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund.
Für hilfebedürftige HIV-Positive besteht seit 2003 unser betreutes Wohnprojekt „Lighthouse“ mit sechs Wohnplätzen. Die Bewohner*innen werden durch pädagogische Fachkräfte begleitet und von externen Pflegediensten fachkompetent gepflegt.
Aufklärung zu sexueller Gesundheit
Erklärter Schwerpunkt der Tätigkeit des CheckPoint Hannover ist die Verhinderung von Neuinfektionen mit HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen (STI´s) durch zielgruppenspezifische Aufklärungsarbeit. HIV wird heute in fast allen Fällen sexuell übertragen, ca. 12% über intravenösen Drogenkonsum. Bundesweit infizieren sich in Deutschland nach Schätzungen des Robert-Koch-Institutes pro Jahr rund 2000 Menschen neu mit HIV, davon etwas über die Hälfte über Kontakte unter Männern, die Sex mit Männern haben (vgl. RKI 2021). Diese Infektionszahlen sind im internationalen Vergleich sehr niedrig, nicht zuletzt auch wegen der effektiven Präventionsarbeit der AIDS-Hilfen.
Unsere Präventionsarbeit wird maßgeblich getragen von unseren ehrenamtlichen Teams. Das SVeN-Team (Schwule Vielfalt erregt Niedersachsen) ist beispielsweise unter diesem niedersachsenweiten Label der Aidshilfen in der schwulen bzw. queeren Szene von Hannover unterwegs. Auf lustvolle Weise und auf Augenhöhe werden Informationen zu Schutzmöglichkeiten weitergegeben und die Zielgruppe zu einem effektiven Schutz vor HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen befähigt.
Deutlich früher setzt unsere Schulprävention an. Entsprechend ausgebildete HIV-positive Ehrenamtliche berichten Schulklassen etwa ab der 8. Jahrgangsstufe aus eigener Perspektive über das Leben mit HIV und klären über Schutzmöglichkeiten auf. Auf diese Weise wird gleichzeitig Präventionsarbeit und Antidiskriminierungsarbeit geleistet.
Nur wer seinen aktuellen HIV-Status kennt, kann sich und seine Sexualpartner*innen vor einer Übertragung schützen. Darüber hinaus ist eine HIV-Infektion umso besser behandelbar, je rechtzeitiger sie erkannt wird. Aus diesem Grund fordert das Robert-Koch-Institut und das Bundesgesundheitsministerium seit Jahren eine Ausweitung niederschwelliger Testangebote. Die Hannöversche AIDS-Hilfe e.V. bietet seit 2014 dreimal monatlich in den Abendstunden einen HIV-Syphilis-Kombinationsschnelltest an, der in wenigen Minuten eine zuverlässige Information über den Status liefert. Ergänzend dazu gibt es bei uns seit 2016 auch ein Untersuchungsangebot zu sexuell übertragbaren Infektionen für sexuell aktive Menschen an. Beide Untersuchungsangebote werden von ehrenamtlichen Ärzt*innen in enger Kooperation mit dem Fachbereich Gesundheit der Region Hannover durchgeführt.
Geschichte der Hannöverschen Aidshilfe e.V.
1981 traten zunächst in den USA, 1982 aber auch erstmals in Deutschland bei schwulen Männern vermehrt eine ungewöhnliche Form einer Lungenentzündung sowie eine seltene Form von Hautkrebs, das Kaposi-Sarkom, auf. Diese Phänomene waren offenbar, wie man bald richtig vermutete, auf eine erworbene Immunschwäche zurück zu führen. So nannte man diese Erkrankung zunächst Gay People’s Immuno Defiency Syndrome (GIDS). Auch in den deutschen Medien, allen voran dem Spiegel, wurde bald darauf ausführlich über diese neue Schwulenseuche berichtet, ohne dass letztendlich Klarheit über die genauen Ursachen der Erkrankung bestand. Man vermutete zwar bereits 1983, dass sie auf einen übertragbaren Erreger zurück zu führen sei, HIV als tatsächlicher Verursacher wurde jedoch erst im März 1985 sicher nachgewiesen.
Im Hannoveraner Lesben- und Schwulenzentrum HOME e.V. in der Johannsenstraße wurden diese Berichte ebenfalls mit Besorgnis gelesen. Zwar waren in Hannover noch keine konkreten Fälle von AIDS bekannt geworden, trotzdem trieb auch hier die Schwulen die Angst vor der Krankheit, vor allem aber auch vor staatlichen Repressalien um. Denn schon wurden seitens konservativer Parteien Forderungen laut, die Betroffenen zu kasernieren und die Schwule Subkultur als vermeintliche Keimzelle zu unterbinden.
So wurden 1984 im Gruppenraum des HOME-Zentrums Diskussionsabende einberufen, um die wenigen erhältlichen Informationen auszutauschen und um eine gemeinsame politische Richtung zu finden. Aus diesen Treffen entstand die Idee, nach dem Vorbild der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. in Berlin, die sich ein Jahr zuvor gegründet hatte, eine AIDS-Hilfe in Hannover zu gründen. Nach Berlin, München und Hamburg war dies deutschlandweit die vierte AIDS-Hilfe.
Ziel war bereits damals, seriöse Informationen zu AIDS zusammen zu tragen und weiter zu geben, also Aufklärungsarbeit zu leisten. Die ersten Flugblätter wurden mit Schreibmaschinen getippt und an verkaufsoffenen Samstagen mit Infoständen am Kröpcke verteilt. Neben viel Ablehnung gab es durchaus auch viel Interesse und Solidarität, so versorgte beispielsweise der damalige Geschäftsführer des Café Kröpcke die Aktivisten mit frischem Kaffee.
Niedersachsen wurde damals von der CDU mit dem Ministerpräsidenten Albrecht regiert. Schon früh trat der frisch gegründete Verein an die Landesregierung heran, um sich als kompetenter Ansprechpartner für die schwule Subkultur zur Verfügung zu stellen, aber auch um Gelder für die notwendige Aufklärungsarbeit einzufordern. Seitens des Landes Niedersachsen wurde dieses Angebot angenommen, hatte man doch keinerlei Vorstellungen, wie die schwule Subkultur in Hannover und Niedersachsen aussähe, geschweige denn, wie man dort aufklärend und präventiv tätig werden sollte.
So erhielt die Hannöversche AIDS-Hilfe von Niedersächsischen Sozialministerium schon bald einen ersten Betrag von einigen tausend Mark. Dieser wurde vornehmlich für die Erstellung von Flugblättern, aber auch für ein bald eingerichtetes Beratungstelefon ausgegeben, das im Wintergarten des damaligen 1 Vorsitzenden, Werner Noelle, betrieben wurde. Landesweit wurde man ebenfalls tätig, indem in einigen größeren Städten Niedersachsens Aktivisten gesucht wurden, die man bei der Gründung weiterer AIDS-Hilfen in ihrer Stadt unterstützte. So entstanden bald darauf die AIDS-Hilfen Oldenburg, Wilhelmshaven, Celle und Lüneburg. Insgesamt bemühte sich die Hannöversche AIDS-Hilfe, ihre Lobbyarbeit weiter auszubauen. Neue ehrenamtliche Mitarbeiter kamen hinzu. So stieg der heutige Ehrenvorsitzenden der Hannöverschen AIDS-Hilfe e.V., Bernd Weste, anfangs in die Beratergruppe ein, übernahm dann aber auch bald Vorstandsverantwortung. Er trägt seitdem den Verein maßgeblich mit.
1985 tauchte dann auch in Hannover der erste Fall von AIDS auf. Billa Müller (so ihr selbst gewähltes Pseudonym) war heterosexuell (!) und hatte sich vermutlich über ihren drogenkonsumierenden Freund mit HIV infiziert. Sie hatte über die Medien von der Hannöverschen AIDS-Hilfe e.V. erfahren und trat mit der Bitte um Unterstützung an die durchweg schwulen AIDS-Hilfe-Gründer heran. Deren Hilfe hatte sie dringend nötig. Aufgrund der wenigen erhältlichen seriösen Informationen, vielen Falschmeldungen und der deswegen weit verbreiteten Angst traf sie auf viel Ablehnung: Ärzte wollten sie nicht behandeln, Pflegepersonal wollte sie – wenn überhaupt – nur unter massiven Schutzmaßnahmen anfassen, Freunde und die Familie gingen auf Abstand. Billa Müller setzte sich – obwohl sie bereits durch AIDS stark geschwächt war – mit Unterstützung von Mitgliedern der Hannöverschen AIDS-Hilfe e.V. offensiv mit ihrer Erkrankung auseinander. Sie bekannte sich öffentlich in Talkshows und im Radio zu ihrer Infektion und wurde so zu einem Symbol dafür, dass die vermeintliche Schwulenseuche AIDS vor niemandem Halt macht.
Kontakt:
Geschäftsführung & Koordination CheckPoint
Jürgen Maaß
Telefon: 0511 / 360 696 16
j.maass@hannover.aidshilfe.de
Ulf Theuerkauf
Telefon: 0511 / 360 696 0
u.theuerkauf@hannover.aidshilfe.de
Christine Berthold
Telefon: 0511 / 360 696 19
c.berthold@hannover.aidshilfe.de
Projekt “Sex, drugs & a gay life”
Sebastian Bathge
Telefon: 0511 / 360 696 13
s.bathge@hannover.aidshilfe.de
Projekt “Yalla sawa
Anmar Thamer
Telefon: 0511 / 360 696 15
a.thamer@hannover.aidshilfe.de
Benjamin Roth
Telefon: 0511 / 360 696 17
b.roth@hannover.aidshilfe.de
Andreas Neumann
Telefon: 0511 / 360 696 19
a.neumann@hannover.aidshilfe.de